Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG: Wer sie braucht und wie man sie beantragt

Die Freistellungsbescheinigung ist für Bauunternehmen in Deutschland von zentraler Wichtigkeit, damit sie den vollen Rechnungsbetrag ohne Steuerabzug erhalten. Besonders bei gewerblichen Bauleistungen kann der Verzicht auf diese Bescheinigung erhebliche finanzielle Einbußen bedeuten. Doch was steckt genau hinter der Freistellungsbescheinigung des Finanzamts und wie erhält man sie?

Was ist eine Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG?

Legt ein:e Bauunternehmer:in seinem:r Auftraggeber:in eine gültige Freistellungsbescheinigung vor, ist dieser verpflichtet, den vollen Rechnungsbetrag ohne Abzug der Bauabzugssteuer zu zahlen.

Liegt jedoch keine Bescheinigung vor, weil sie nicht beantragt wurde oder das Finanzamt die Ausstellung verweigert hat, muss der/die Auftraggeber:in gemäß § 48d EStG 15 % des Rechnungsbetrags einbehalten und direkt an das zuständige Finanzamt abführen. Erfolgt die Abführung nicht korrekt, haftet in der Regel der/die Auftraggeber:in selbst. Eine Ausnahme besteht nur, wenn er zum Zeitpunkt der Zahlung auf die Gültigkeit der vorliegenden Freistellungsbescheinigung vertrauen konnte.

Warum ist die Freistellungsbescheinigung für Bauunternehmen essenziell?

Der Steuerabzug, den der/die Auftraggeber:in ohne Freistellungsbescheinigung an das Finanzamt überweisen muss, wirkt sich negativ auf die Liquidität des Bauunternehmens aus. Er kann auch die Geschäftsbeziehung zum:r Auftraggeber:in belasten.

Denn für Auftraggeber:innen selbst bedeutet das Verfahren ohne Bescheinigung zusätzlichen Aufwand. Sie sind verpflichtet, die Meldung, Abführung und korrekte Dokumentation der Steuer zu übernehmen. Mit einer gültigen Freistellungsbescheinigung des Finanzamts lässt sich dieser Prozess vermeiden.

Wer benötigt eine Freistellungsbescheinigung?

Grundsätzlich benötigen alle Unternehmen, die regelmäßig Bauleistungen im Sinne des § 48 EStG erbringen, eine Freistellungsbescheinigung für die Bauabzugssteuer. Die Pflicht trifft jedoch nicht nur große Baukonzerne. Auch kleinere Betriebe und selbst Einzelunternehmer:innen sind betroffen:

  • Einzelunternehmen im Baugewerbe – unabhängig davon, ob sie Neubauten, Sanierungen oder kleinere Reparaturen durchführen

  • GmbH und andere Kapitalgesellschaften, die Bauprojekte gewerblich betreuen

  • freiberuflich tätige Bauunternehmer:innen, etwa selbstständige Bauleiter:innen, Handwerker:innen oder Ingenieur:innen mit bauausführender Tätigkeit

  • ausländische Unternehmen, die in Deutschland Bauaufträge ausführen – auch wenn sie keinen Firmensitz im Inland haben

Doch nicht nur die ausführenden Firmen stehen in der Verantwortung. Auch Auftraggeber:innen wie gewerbliche Kunden, öffentliche Einrichtungen, Stiftungen oder Vereine sind verpflichtet, vor jeder Zahlung die Gültigkeit der Freistellungsbescheinigung zu prüfen. Unter bestimmten Voraussetzungen betrifft dies sogar Privatpersonen, etwa wenn regelmäßig Bauaufträge an diese vergeben werden.

Für kleinere Aufträge gelten dabei sogenannte Bagatellgrenzen, bei denen keine Bauabzugssteuer einbehalten werden muss. Einerseits gilt eine Auftragsgrenze von 5000 Euro pro Jahr bei gewerblichen Auftraggebern. Außerdem müssen Vermieter, die keine Umsatzsteuer auf die Miete erheben, bis zu einer Auftragswertgrenze von 15.000 Euro pro Jahr keine Bauabzugssteuer abführen.

Diese Schwellenwerte entbinden jedoch nicht von der Prüfungspflicht. Wird die Grenze überschritten, ist die Bauabzugssteuer wieder in vollem Umfang zu beachten.

Welche Bauleistungen unterliegen der Bauabzugssteuer?

Nicht jede Tätigkeit in der Baubranche löst automatisch die Verpflichtung zur Bauabzugssteuer aus. Entscheidend ist, ob es sich um eine handwerklich ausgeführte Bauleistung handelt. Sie muss unmittelbar mit der Errichtung, Veränderung oder Instandhaltung eines Bauwerks zusammenhängen. In § 48 EStG sind diese Leistungen klar definiert. Zu den steuerpflichtigen Bauleistungen für die Freistellungsbescheinigung zählen insbesondere folgende Arbeiten:

  • Neubau, Umbau und Erweiterung von Bauwerken

  • Sanierungs- und Renovierungsarbeiten

  • Abbruch- und Abrissarbeiten

  • Instandhaltung von Gebäuden

Nicht betroffen sind unter anderem reine Planungs- oder Architektenleistungen, die keine physische Bauleistung darstellen.

Wie beantrage ich eine Freistellungsbescheinigung beim Finanzamt?

Die Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG sollte idealerweise vor Beginn der Bauarbeiten beantragt werden. Der Prozess lässt sich in folgende Schritte unterteilen:

  1. Vorbereitung der Unterlagen. Für den Antrag werden die Steuernummer und Anschrift des Unternehmens und eine Beschreibung der Bauleistungen benötigt. Bei Kapitalgesellschaften wie GmbH muss zudem ein Handelsregisterauszug beigefügt werden. Ausländische Firmen sind verpflichtet, einen Nachweis der steuerlichen Ansässigkeit vorzulegen.

  2. Antragstellung. Der Antrag sollte vorzugsweise online über www.elster.de beim zuständigen Finanzamt eingereicht werden. Formlose Anträge sind jedoch auch gestattet.

  3. Prüfung durch das Finanzamt. Das Finanzamt prüft nun, ob das Unternehmen steuerlich zuverlässig ist. Dabei wird beispielsweise darauf geachtet, ob Rückstände vorliegen und Erklärungen fristgerecht eingereicht wurden.

  4. Erhalt der Bescheinigung. Ist die Prüfung erfolgreich, stellt das Finanzamt die Freistellungsbescheinigung aus. Das Dokument enthält eine Gültigkeitsdauer und eine Prüfnummer zur Online-Verifikation.

Gültigkeit und Verlängerung der Freistellungsbescheinigung

Die Freistellungsbescheinigung wird in der Regel für einen Zeitraum von bis zu drei Jahren ausgestellt. Sollte ein Bauvorhaben jedoch länger dauern oder ein neuer Auftrag in Aussicht stehen, kann die Bescheinigung verlängert werden. Dafür muss rechtzeitig ein Verlängerungsantrag beim zuständigen Finanzamt gestellt werden – idealerweise bevor die aktuelle Gültigkeit abläuft.

Der Antrag auf Verlängerung kann formlos oder online über das ELSTER-Portal erfolgen. In der Regel genügt ein kurzes Anschreiben mit Hinweis auf die bestehende Bescheinigung, ergänzt um aktuelle Unternehmensdaten und – falls zutreffend – aktualisierte Nachweise zur steuerlichen Zuverlässigkeit.

Da die Bearbeitung mehrere Wochen in Anspruch nehmen kann, sollte der Antrag spätestens einen Monat vor Ablauf der bestehenden Freistellungsbescheinigung gestellt werden. Nur so lässt sich vermeiden, dass der Zahlungsfluss unterbrochen wird oder dass Auftraggeber:innen kurzfristig wieder 15 % Bauabzugssteuer einbehalten müssen.

Prüfung der Gültigkeit einer Freistellungsbescheinigung

Auftraggeber:innen sind verpflichtet, die Gültigkeit der Freistellungsbescheinigung vor Auszahlung des Rechnungsbetrags zu überprüfen. Dies geschieht online über das Portal des Bundeszentralamts für Steuern (BZSt).

Für die Prüfung müssen lediglich die Steuernummer des ausführenden Unternehmens und die auf der Bescheinigung angegebene Sicherheitsnummer eingegeben werden. Durch die Abfrage wird bestätigt, ob das Dokument gültig, abgelaufen oder widerrufen ist.

Folgen bei fehlender oder ungültiger Freistellungsbescheinigung

Liegt dem Finanzamt keine gültige Freistellungsbescheinigung vor, ist der/die Auftraggeber:in gesetzlich verpflichtet, 15 % des Bruttobetrags einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen.

Wird die Bauabzugssteuer nicht ordnungsgemäß abgeführt, haftet nach § 48a Abs. 3 EStG in der Regel der/die Auftraggeber:in für den gesamten Betrag. Fehler können außerdem zu Nachzahlungen, Säumniszuschlägen und weiteren steuerlichen Konsequenzen führen.

Der Leistungsempfänger haftet nur dann nicht, wenn ihm zum Zeitpunkt der Zahlung eine gültige Freistellungsbescheinigung vorlag, auf deren Rechtmäßigkeit er vertrauen durfte. Daher sollten Auftraggeber:innen aus Haftungsgründen besonders auf die Gültigkeit der Bescheinigung achten.

Für den Bauunternehmer:innen bedeutet eine fehlende oder ungültige Freistellungsbescheinigung zusätzlichen bürokratischen Aufwand für die Rückforderung des gezahlten Steuerbetrags und Liquiditätsengpässe. Für den/die Auftraggeber:in sind hingegen das Haftungsrisiko und der Verwaltungsaufwand relevant. Nur eine gültige und rechtzeitig vorgelegte Freistellungsbescheinigung für den Steuerabzug von Bauleistungen schützt beide Seiten.

Besonderheiten für ausländische Unternehmen

Auch Unternehmen mit Sitz im Ausland müssen eine Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG beantragen, wenn sie Bauleistungen in Deutschland erbringen.

Hierbei gelten einige wichtige Anforderungen, die es zu beachten gilt:

  • Nachweis der steuerlichen Ansässigkeit im Ausland, beispielsweise durch Bescheinigung der zuständigen Finanzbehörde

  • keine offenen Steuerschulden in Deutschland

  • Bestellung eines inländischen Empfangsbevollmächtigten

Nur bei Erfüllung dieser Bedingungen stellt das Finanzamt eine gültige Freistellungsbescheinigung für ausländische Unternehmen aus. Sie kann ebenfalls über das BZSt-Portal überprüft werden.

Häufige Fragen zur Freistellungsbescheinigung

Wann brauche ich eine Freistellungsbescheinigung?

Eine Freistellungsbescheinigung ist immer dann erforderlich, wenn ein Unternehmen gewerbliche Bauleistungen erbringt, wodurch die Auftraggeber:innen verpflichtet sind, Bauabzugssteuer abzuführen.

Wer braucht keine Freistellungsbescheinigung?

Werden Leistungen erbracht, die die Bagatellgrenze von jeweils 5000 Euro oder 15.000 pro Jahr nicht überschreiten, fällt keine Bauabzugssteuer an. Auch Anbieter reiner Planungsleistungen sind nicht von der Steuerpflicht betroffen und benötigen somit keine Bescheinigung.

Was braucht man für eine Freistellungsbescheinigung?

Für den Antrag sind eine gültige Steuernummer, vollständige Unternehmensdaten und der Nachweis steuerlicher Zuverlässigkeit nötig. Das Unternehmen sollte keine Steuerrückstände oder verspätete Abgaben haben.

Was kostet eine Freistellungsbescheinigung?

Die Ausstellung ist in der Regel kostenlos. Es entstehen nur Kosten für begleitende Unterlagen oder eine steuerliche Beratung.

Was passiert, wenn keine Freistellungsbescheinigung vorliegt?

Fehlt die Bescheinigung, werden 15 % des Rechnungsbetrags von dem:r Auftraggeber:in einbehalten. Der/die Bauunternehmer:in kann den Betrag nur nachträglich vom Finanzamt zurückfordern, was erheblichen Aufwand kostet.

Wie lange dauert die Ausstellung einer Freistellungsbescheinigung?

Die Bearbeitungszeit beträgt durchschnittlich ein bis vier Wochen, je nach Finanzamt und Vollständigkeit der Unterlagen.

Wo kann ich den Status meiner Freistellungsbescheinigung prüfen?

Die Prüfung erfolgt online über das BZSt-Portal. Hierfür müssen nur die Sicherheitsnummer und Steuernummer des leistenden Unternehmens eingegeben werden.